Trauerorientierung ist Lebensorientierung
Die Begegnung mit Sterben und Tod ist eine existentiell wesentliche Lebenssituation, in der Weichen gestellt werden für die weitere Trauerzeit, das Weiterleben der Menschen.
Die Zeit zwischen Tod und Bestattung ist kostbar und unwiederbringlich für die Angehörigen und ihre Begegnung mit dem verstorbenen Menschen, für ihr Erleben und Gestalten von Erinnerung und Abschied. Sie brauchen dazu Raum, Zeit, Impulse, Erlaubnis und Begleitung sowie Achtung ihrer Eigenverantwortlichkeit. Auch das Wohlergehen und achtsame Begleiten der verstorbenen Menschen soll gewahrt werden. Daraus ergeben sich die Anforderungen an die Beratungs- und Begleitungskompetenz der professionell tätigen Menschen als wichtige AnsprechpartnerInnen, sowie an die jeweilige Organisationskultur.
Trauerorientierung fragt, was die lebenden und verstorbenen Menschen in der Zeit zwischen Tod und Bestattung brauchen. Und sie fragt, was die professionell tätigen Menschen für ihre Arbeit, sich selbst und ihre Organisation / ihr Unternehmen brauchen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen selbstverantwortlich und natürlich mit dieser Lebenssituation umgehen können.
Aus unserer Sicht zeichnet sich eine zeitgemäße und innovative Organisation aus durch die Balance zwischen der Achtsamkeit gegenüber den lebenden und verstorbenen Menschen und der Beachtung organisatorischer und wirtschaftlicher Aspekte.
Das TOBB-Konzept ist auch Ausdruck ethischer Verantwortung im Umgang mit Tod und Trauer, und dient der Förderung und Weiterentwicklung einer zeitgemäßen und für alle Beteiligten heilsamen Trauerkultur.
Die professionell tätigen Menschen
in den verschiedenen Berufsfeldern wirken durch ihre Persönlichkeit und Haltung sowie ihre soziale und fachliche Kompetenz. Im Zusammenwirken dieser Elemente, ihrer Verbindung mit den Werten des Unternehmens und ihrem Ausdruck in Handlungsmöglichkeiten werden förderliche Bedingungen für die Begleitung geschaffen. Die Professionellen sind in der Lage, sich mit ihrem Wissen, ihren eigenen Haltungen und Erfahrungen, ihren Fähigkeiten und Grenzen, ihren Absichten und Bedürfnissen, ihren Berührungspunkten und Zugängen zu Tod, Trauer und Gefühlen bewusst weiter zu entwickeln und dabei gut für sich zu sorgen.
Ein vernetztes Arbeiten wirkt sich positiv auf das Wohlergehen der Angehörigen und der verstorbenen Menschen aus. Die verschiedenen Professionen können so eine Art „Halt gebendes Geländer” bilden, das den Angehörigen in Ergänzung zu ihrem sozialen Netz zur Verfügung steht.
Trauerorientierung - Inhaltliche Ziele und Definitionen
© Petra Hugo, Heide Mäder, Hermann Weber 2008
1. Menschen sind wieder in der Lage, selbstverantwortlich und natürlich auch mit Lebenssituationen wie Sterben, Tod und Trauer umzugehen, d.h. mit sich selbst und im Kontakt mit lebenden und verstorbenen Menschen.
Sie können
- die Vielfalt und Gleichzeitigkeit der Gefühle und Bedürfnisse zulassen
- alle Daseinsebenen des Menschseins beachten
- Möglichkeiten zur Verfügung haben, um Gefühle zu zeigen und mitzuteilen
- den Beziehungen, den Gefühlen, der Erinnerung und dem Abschied Ausdruck und Gestalt geben ( Ausdruck heißt z.B. sprachlich, materiell, bildlich, rituell…)
- unterschiedliche Umgangsweisen verschiedener Menschen akzeptieren und wertschätzen
- einen ausreichenden Zugang zu ihren Kraftquellen, Fähigkeiten, Erfahrungen… haben.
- mit den verstorbenen Menschen und dem Verlust als Teil der eigenen Lebensgeschichte leben lernen
- Liebe spüren und inneren Frieden finden
2. Die trauernden Menschen sind in ihrem Trauerprozess gestärkt und bereichert für ihr weiteres Leben.
- sie haben ein inneres Wissen dazu und die Fähigkeit, vom Ausgeliefert sein zur eigenen schöpferischen Kraft und Handlungsfähigkeit finden.
- sie können in ihrem Sozialsystem förderlich mit diesen Lebensthemen umgehen
- sie nehmen Trauerprozesse als Entwicklungs- und Heilungsprozesse wahr
3. Die trauernden Menschen sind durch Laien oder Professionell tätige Menschen gut begleitet, wenn sie es brauchen. (Profis = ehrenamtliche & hauptamtliche)
Sie haben andere Menschen an der Seite, die
- achtsam sind, Raum lassen
- mitfühlend sind
- orientiert sind am Trauerprozess mit seinen Aspekten
- orientiert sind an individuellen Bedingungen, Bedürfnissen, Fähigkeiten, Erfahrungen der trauernden Menschen
- ihnen mit der Haltung begegnen, Tod und Trauer als etwas Natürliches und zum Leben Dazugehöriges zu betrachten
4. Das Wohlergehen des verstorbenen Menschen ist gewahrt.
Im Umgang mit den verstorbenen Menschen
- wird ihnen mit der gleichen Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Fürsorge begegnet wie den lebenden Menschen
- wird die Übergangsphase ihres Sterbeprozesses über den Todeszeitpunkt hinaus begleitet
- werden alle Ebenen des Daseins beachtet
- wird ein ritueller Rahmen entwickelt und gestaltet
5. Professionell tätige Menschen sind fähig, die trauernden und verstorbenen Menschen in deren Prozessen zu begleiten.
Sie können
- in die Eigenverantwortlichkeit und Selbstheilungskräfte der begleiteten Menschen vertrauen, deren Ressourcen, Erfahrungen und Einstellungen achten und stärken
- den individuellen Prozess der trauenden Menschen und des Angehörigensystems flexibel begleiten und entsprechend beraten
- ihnen ausreichend Raum und Zeit zur Verfügung stellen
- ihnen Impulse und Ermutigung zu Gestaltungen und zur Heranführung an den Tod zu Verfügung stellen, auch dabei „Vorbild” sein
- Hilflosigkeit ertragen, Aushalten, einfach Da-Sein
- vielfältige methodische Möglichkeiten anbieten
- eigenreflektiert mit den Themen umgehen und sich permanent weiter entwickeln (Selbstfürsorge, Fortbildung)
- bewusst mit eigenen Fähigkeiten und Grenzen umgehen
- in Vernetzung, Kooperation und Wertschätzung mit anderen beteiligten Profis und Laien arbeiten